Ein Künstler, der sich traut

 

Ende November 2002 fand eine Autorenlesung mit Musik im Restaurant Telakka, Tampere, statt. Zu Gast war der multitalentierte österreichische Künstler Martin Auer. Den Titel des Abends Deutsch für Außerirdische hatte er in Anlehnung an einen Buchtitel gewählt. Im im Publikum saßen viele Freunde der deutschen Sprache saßen. Er las nicht nur aus Deutsch für Außerirdische, sondern auch aus seinem neuesten Buch Herr Balaban und seine Tochter Selda vor.
Vor seinem Auftritt fand er auch Zeit für unser Interview.

Herr Auer, beschäftigen Sie sich momentan mit einem neuen Buch?

Ja, ich habe immer verschiedene Projekte laufen. Ein Buch, an dem ich schon lange arbeite, behandelt alles Mögliche und wird wahrscheinlich den Titel Und jetzt? haben. In letzter Zeit habe ich begonnen, neue Programmiersprachen zu lernen. Ich möchte einfache Programme für Jugendliche in der Dritten Welt schaffen, so dass es auch für sie möglich wäre, z.B. eine Internetzeitschrift zu publizieren und dadurch ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. Außerdem ist auf meiner Homepage ein Kinderbuch von mir zu lesen. Das Buch heißt Der seltsame Krieg, und ich habe es geschrieben, um etwas gegen den Krieg zu unternehmen.

Die Übersetzungen sind eben im Internet veröffentlicht worden, und da findet man ebenfalls schon einige Geschichte aus diesem Buch auf Finnisch, die Pirjo Rantanen übersetzt hat.

           Herr Auer, Sie sind ja nicht „nur“ Schriftsteller, sondern, sagen wir, ein Multitalent; Sie sind Musiker, Zauberer und zeichnen auch selbst. Wie ist es, möchten Sie vielleicht Ihre eigenen Bücher illustrieren?

            Nein, will ich gar nicht. Das, was ich zeichne passt nicht zu den Kinderbüchern, die ich schreibe. Ich würde vielleicht einen Gedichtband von mir selbst illustrieren, aber keine Kinderbücher.

Haben die Illustratorinnen freie Hand oder geben Sie genaue Anweisungen?

Ich gebe ziemlich freie Hand. Es gibt unterschiedliche Typen von Illustratoren und Illustratorinnen, und viele von ihnen sagen einfach „Red’ mir nichts rein, ich mach’ das schon!“, und das ist mir eigentlich lieber. Als Autor hat man ein Problem: Ich kann meinen eigenen Text nicht so lesen wie eben die Leser das tun. Ich kenne ja den Text. Wenn jemand aber einen Text von mir illustriert, dann sehe ich doch, welche Bilder dieser Text im Kopf von anderen hervorgerufen hat, und das ist immer ganz, ganz spannend.

Höchstens dreimal im Jahr, so haben Sie gesagt, werden Sie die schwierige Frage „Woher nehmen Sie nur alle die Ideen?“ beantworten. Dies ist sicherlich schon das vierte Mal, aber würden Sie die Frage trotzdem noch einmal beantworten?

Noch einmal kann ich sie beantworten, obwohl ich glaube, dass kein Autor sie eigentlich vollständig beantworten kann. Bei mir geht es aber um die Suche nach Antworten. Ich versuche, Geschichten zu schreiben, die es noch nicht gibt, und Antworten auf Fragen wie „Warum vergeht die Zeit? “ oder „Warum heißt der Hund Hund?“ auszudenken. Das sind so schwierige und komplizierte Fragen, dass niemand sich traut, sie wirklich zu beantworten, also habe ich mich getraut. Ich suche ständig nach neuen Wegen, lese nur wenig Romane, aber sehr viel Fachliteratur. Aus der Wissenschaft versuche ich Fragen zu finden, die ich dann in meinen Geschichten zu beantworten versuche.

Eine andere problematische Frage ist auch die Frage über Ihr Hauptwerk. Könnten Sie vielleicht ein Werk aus Ihrem Schaffen nennen?

Nein, das kann und tue ich auch gar nicht. Stellen Sie sich vor, ich hätte vierzig Kinder, und Sie würden mich fragen, welches ist mein Lieblingskind. Dann würde ich es auch nicht sagen. Denn dann wären alle anderen traurig. Meine Bücher sind ja wie meine Kinder – jedes hat seine Meriten, jedes hat seine Vorzüge und Fehler, manche sind nicht so gut gelungen, wie ich wollte, aber sie gehören doch alle zusammen.

Ihre Werke sind in über zehn verschiedene Sprachen übersetzt worden und haben Leser rund um die Welt gefunden. Wie fühlt ein Autor sich, wenn er hört, dass sein Buch übersetzt wird?

Natürlich freut man sich darüber, aber eigentlich ist es ein sehr seltsames Gefühl, weil ich doch nicht jede Sprache beherrsche und nicht immer verstehen kann, was in der Übersetzungen steht. Aber wenn ich die Sprache verstehe, in die übersetzt wird, wäre es schön, wenn ich die Übersetzungen bis zu einen gewissen Grad kontrollieren dürfte, so dass die meinen Intentionen entsprechen und sich nicht zu viel vom Ausgangstext unterscheiden würden. Bei der Kinderliteratur wird der Text nämlich sehr oft verkitscht, weil man in anderen Kulturen oft der Meinung ist, dass für Kinder alles herzig und lieblich und nett sein muss, disneymäßig sozusagen. Aber in Wirklichkeit kommt eine solche Möglichkeit zum Kontrollieren leider nur sehr selten vor.

Im Laufe der Zeit haben Sie sich mit vielen unterschiedlichen Sachen beschäftigt, aber sind irgendwelche Träume noch zu erfüllen?

Ich könnte Programmierer werden. Oder Schafhirte. Oder Tischler. Oder warum nicht ein weiser Mann auf einem Berg! (lacht) Ganz würde ich das Schreiben nicht aufgeben, aber es ist wirklich so, dass ich alle fünf Jahre irgendetwas Neues beginne.

Herr Auer, vielen Dank für dieses Gespräch.

Zur Person:

·         Martin Auer, geb. 1951, wohnhaft in Wien.

·         Über 40 Werke: Kinderbücher, Lyrik, Prosa, Hörspiele, Drehbücher, Übersetzungen usw.

·         Zahlreiche Literaturpreise, z.B. Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 1994, 1998, 2000 sowie Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien 1997, 2000, 2002

·         Bisher ins Finnische übersetzt: Timppa tahtoo linnun (Bimbo und sein Vogel). Weitere Texte auf der Seite www.friedenskultur.net bzw. www.peaceculture.net

·         Mehr Informationen zur Person unter www.martinauer.net

Interview: Elina Kytölä, Anne Mäkelä, Virpi Salakari und Outi Vuolle